Inspirierende Arbeit in der Basisbildung bedeutet: Teilnehmende definieren ihre Lernziele selbst – Elisabeth Pumberger-Windhager im Interview

Liebe Frau Pumberger-Windhager, Sie sind als Basisbildnerin in Oberösterreich tätig und durchlaufen soeben die Kompetenzanerkennung für das Zusatzmodul zum wba-Zertifikat Zertifizierte Basisbildnerin. Wir möchten Sie und Ihre Arbeit gerne kennen lernen.

 

Basisbildnerin Elisabeth Pumberger-Windhager, Foto-Credit: E. Pumberger-Windhager

Was sind die Schwerpunkte Ihrer Arbeit? Wie sieht Ihre tägliche Tätigkeit aus?

Im Training konzentrieren wir uns besonders auf die Bewältigung des Alltags unserer Teilnehmerinnen. „Wir“, das sind die Lernprozessmoderatorinnen (LPM) in Kursen der ALOM Basisbildung. Ich bin hauptsächlich für den Bereich Sprache und meine Kollegin, die an zwei Tagen pro Woche zusätzlich unterstützt, ist für die Bereiche Arbeitsmarkt und Digitale Kompetenzen zuständig. Das Seminar lebt vom regen Austausch und flexiblen Reagieren auf veränderte Umstände. Wichtige Inhalte sind Spracherwerb, Informationsbeschaffung und Abbau von Sprechhemmungen. Die Fähigkeiten zur Informationsbeschaffung werden unter anderem mit Online-Medien trainiert. Die Frauen lernen mit dem Computer umzugehen bzw. ihre digitalen Kompetenzen auszubauen. Die Teilnehmerinnen erhalten weiters Unterstützung bei der Erstellung eines Lebenslaufes und bei der Arbeitssuche.

Wir arbeiten täglich von 08:00 bis 12:00. In dieser Zeit sollen die Teilnehmerinnen mit Spaß und Freude lernen. Unsere Zielgruppe sind zugewanderte Frauen, deshalb werden auch viele frauenspezifische Themen (z.B. Sexualität, Verhütung, Schwangerschaft und Geburt, Gleichstellung von Männern und Frauen in Österreich, finanzielle Unabhängigkeit von Frauen) besprochen.

Methodisch-didaktisch legen wir Wert auf Methoden, die den Selbstwert der Teilnehmerinnen stärken und die das selbständige Weiterlernen nach Seminarende fördern – es gibt kein „richtig“ oder „falsch“. Die Angst vor dem Sprechen soll etwa durch freies Erzählen (hier wird nicht korrigiert) und Diskussionen reduziert werden. Der Lernfortschritt wird durch Reflexionstools und Beobachtungen der LPM sichtbar gemacht.

Basisbildungsgruppe ALOM, Foto-Credit: ALOM

Was macht für Sie die Besonderheit Ihrer Arbeit aus? Was machen Sie gerne, was schätzen Sie?

Ich liebe meine Arbeit, weil ich viel Freiraum in der Unterrichtsgestaltung habe. Dabei sehe ich sowohl mich als auch die Teilnehmerinnen als lehrendes und als lernendes Mitglied der Gruppe. Jede Teilnehmerin trägt zur Unterrichtsgestaltung bei und bringt (Lebens-) Erfahrungen ein. Ich habe so viele interessante Dinge von meinen Teilnehmenden gelernt und unglaubliche Biographien kennengelernt. Der Kurs, welcher 281 Unterrichtseinheiten hat, erlaubt den Aufbau von gegenseitigem Vertrauen. Dieses Vertrauen erlaubt uns sehr persönliche Einblicke in das Leben der Frauen. Die Kursteilnehmerinnen sind eingeladen, interessierende Themen in den Unterricht einzubringen, weshalb sich das Unterrichtsgeschehen sehr abwechslungsreich gestaltet und für uns als Vermittlerinnen nicht langweilig wird.

Es ist für uns sehr befriedigend, die Teilnehmerinnen ein Stück ihres Weges begleiten zu dürfen. Das bedeutet auch, dass wenn die Teilnehmerinnen Ängste und Sorgen haben, diese Themen vorgehen (Störungen haben Vorrang). Wir legen großen Wert darauf, die Lernenden gesamthaft als Persönlichkeit wahrzunehmen und nicht nur den isolierten Spracherwerbsprozess. Ich schätze es auch sehr, dass wir in unserer kleinen Grenzregion die Teilnehmerinnen nie ganz aus den Augen verlieren. Sie kommen wieder, um uns über ihre Erfolge und Lernschritte in Kenntnis zu setzen.

Gibt es wichtige pädagogische und didaktische Erkenntnisse, die Sie in Ihrer Arbeit tragen?

Die wichtigste Erkenntnis für mich ist: „Lass die Verantwortung für die Erreichung der Lernziele bei den Teilnehmenden und definiere keine Ziele für andere Menschen, dann bleibt die Arbeit spannend und inspirierend!“

Hinter dieser Erkenntnis liegen viele Erfahrungen mit dem Lernen in Gruppen, beispielsweise:

  • Da die Gruppenzusammensetzung so unterschiedlich ist, funktionieren Methoden nicht immer gleich gut. Etwas Neues auszuprobieren, beinhaltet auch die Möglichkeit des Scheiterns. Daraus resultieren jedoch wertvolle Erkenntnisse und Weiterentwicklungsmöglichkeiten.
  • Wir versuchen weitgehend Druck oder gegenseitiges Vergleichen im Seminargeschehen zu vermeiden, da Lernen mit Stress nicht funktioniert. Wir geben besonders in der Anfangsphase viel Zeit für das Kennenlernen, damit sich aus der Gruppe Freundschaften entwickeln, die den Teilnehmenden das Ankommen in Österreich wesentlich erleichtern.
  • Wir finden es ganz wichtig, dass auch wir als Unterrichtende authentisch bleiben. Guter Unterricht kann nur dann gelingen, wenn es uns gut geht, wir Methoden und Materialien wählen können, die für uns interessant und sinnvoll sind.
  • Unsere Gruppe wird durch die Heterogenität der Frauen bereichert und belebt. Unterschiedliche Sprachniveaus, Alter, Herkunftsländer, Familiensituationen und Bildungshintergründe bereichern gruppendynamische Prozesse und das Lernen. Der Unterricht lebt daher stark von der Binnendifferenzierung und der Kreativität der zum Einsatz kommenden Methoden und Materialien.

Wie war Ihr Berufsweg in die Erwachsenenbildung? Wollten Sie schon immer pädagogisch tätig sein?

Ich habe eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich abgeschlossen und in jungen Jahren in diesem Bereich gearbeitet. Da ich vier Kinder habe, musste ich mich mit jedem Wiedereinstieg in den Beruf umorientieren. Nach dem vierten Kind habe ich drei Jahre als Flüchtlingsbetreuerin gearbeitet. 2010 wurde diese Asylunterkunft geschlossen und ich stand neuerlich vor einer Neuorientierung. Meine jetzige Vorgesetzte hat mir diese Arbeit angeboten und nach kurzem Nachdenken habe ich mich gerne dieser Herausforderung gestellt: Es war eine schwierige Zeit, denn neben der Arbeit, den Kindern und dem großen Haushalt mussten erforderliche Aus- und Weiterbildungen nachgeholt werden. Die Folge: Ich habe meinen Traumjob gefunden. Er macht mich nicht reich, aber glücklich.

Basisbildungsgruppe ALOM, dritte von links: Basisbildnerin E. Pumberger-Windhager,  Foto-Credit: ALOM

Sie sind wba-zertifizierte Erwachsenenbildnerin am Weg zum Zusatzmodul als Basisbildnerin. Wie erlebten und erleben Sie Ihren Weg durch die wba?

Ich erlebe den Weg als sehr unkompliziert und unbürokratisch. Ich danke meiner Betreuerin, Frau Steiner, für ihre prompte Beantwortung aller Anfragen und für die umgehenden Reaktionen auf meine E-Mails.

Was würden Sie jüngeren Erwachsenenbildner:innen und Basisbildner:innen gerne mitgeben?

Ich würde junge Kolleginnen sehr gerne ermutigen, diesen tollen Beruf zu ergreifen und gebe ihnen auch gerne ein paar Tipps mit auf den Weg.

  • Bleibt authentisch – ihr seid der wichtigste Faktor in einem gedeihlichen Lernumfeld.
  • Es gibt kein „richtig“ oder „falsch“ – nur ein „anders“ – habt Mut, Neues auszuprobieren und auch Mut zum Scheitern!
  • Gebt lernenden Kolleg:innen die Möglichkeit in euren Seminaren zu praktizieren und zu hospitieren. Nützt sie als Reflexionspartner:innen.
  • Definiert keine Lernziele für eure Teilnehmenden – wir arbeiten mit Erwachsenen, die Expert:innen für ihr eigenes Leben sind.
  • Lasst ebenso die Verantwortung für den Lernprozess bei euren Kursteilnehmenden. Unsere Aufgabe besteht in der Bereitstellung aller notwendigen Tools.

Liebe Frau Pumberger-Windhager, wir bedanken uns herzlich für das Interview und wünschen weiterhin viel Freude und Erfolg!

 

Die wba hat mir beim Aufspüren von Stärken, aber auch Lücken in meinem vorangegangenen Bildungsweg geholfen. Ich wurde mit Herz und Hirn beraten und konnte einen anerkannten, herzeigbaren Abschluss erwerben, der mir auch im universitären Arbeitsfeld geholfen hat.

ao.Univ.-Prof. Martin Vácha, Bakk.art. MA MA PhD

Kultur- und Bildungsmanager, Sänger, Lehrender für Gesang und Kulturmanagement, wba-diplomierter Erwachsenenbildner