„Wertvoll und wichtig ist, dass es ausreichend Zeit für vertiefende Fragen und Reflexion gibt …“

Liebe Grete Dorner,

du arbeitest seit 2008 als Leiterin der wba-Zertifizierungswerkstatt (ZWS). Hier begleitest und beurteilst du wba-Erwachsenenbildner:innen in einem dreitägigen Assessment. Außerdem bist du Pädagogin und Organisationsentwicklerin und warst bis 2017 Geschäftsführerin des Bildungsnetzwerks Steiermark.

Grete Dorner bei der Überreichung eines wba-Zertifikats im Jänner 2023

Was ist für dich das Wertvolle am Setting der Zertifizierungswerkstatt?

Die Zertifizierungswerkstatt stellt einen organisierten Rahmen dar, in dem Erwachsenenbildner:innen ihre persönlichen Fähigkeiten und Kompetenzen umfassend zeigen können. Wertvoll und wichtig ist dabei, dass es ausreichend Zeit gibt, um vertiefende Fragen zu diskutieren, um differenziertes Feedback auszutauschen und damit Reflexion zu ermöglichen.  

Was sind deine schönsten Erfahrungen und Erlebnisse?

Ich finde es schön, wenn Teilnehmende gestellte Aufgaben anders als gedacht lösen und dabei sehr individuell und innovativ sind. Auch kommt es vor, dass das erhaltene Feedback schlummernde Entwicklungsfragen aktiviert und Impulse für neue Lernanlässe gibt. Teilnehmer:innen staunen oft selbst über ihre Kompetenzen und sind überrascht darüber, „was alles in ihnen steckt“.

Das ist für mich als Pädagogin eine sehr befriedigende und schöne Erfahrung.

Gibt es auch problematische und schwierige Erfahrungen und welche waren/sind das?

Gesamt gesehen sind schwierige Erfahrungen selten. Manches Mal ist jedoch die Dynamik und Kultur der Arbeitsfelder, aus der die Teilnehmer:innen kommen, spürbar – das kann Zeitdruck sein oder dass generell die Welt stark unter Aspekten der Optimierung wahrgenommen wird. In dem Fall dauert es erfahrungsgemäß etwas, und dann können auch diese Erwachsenenbildner und Erwachsenenbildnerinnen das Setting der Zertifizierungswerkstatt als passend und hilfreich erleben.

Im Wesentlichen sind es weniger einzelne Sachinhalte, die schwierig sein können, sondern beispielsweise ein zu gering ausgeprägtes pädagogisches Grundverständnis. Das zeigt sich unter anderem dann, wenn Erwachsenenbildner:innen methodisch zu wenig berücksichtigen, wie Menschen gut und gerne lernen. In Ausnahmefällen gibt es Teilnehmer:innen ohne ausreichende Vorbereitung. Mitunter ist es dann möglich zu improvisieren, denn auch gutes Improvisieren ist eine wichtige Kompetenz in der Erwachsenenbildung.

In den allermeisten Fällen gelingt den Teilnehmenden die Darstellung ihrer erwachsenenbildnerischen Fähigkeiten sehr gut. 

Was motiviert dich persönlich, die Funktion einer ZWS-Leiterin schon seit vielen Jahren zu übernehmen?

Für mich ist sehr interessant, wie die große Welt der Erwachsenenbildung und die damit verbundenen Entwicklungen und „Moden“ in der kleinen Welt der Zertifizierungswerkstatt wahrnehmbar sind. Ich erlebe es immer wieder als sehr spannend Einblick in die Vielfalt der Tätigkeitsfelder der Erwachsenenbildung zu bekommen.

Darüber hinaus ist für mich persönlich sehr bereichernd mit engagierten Menschen drei Tage verbringen zu dürfen. Einerseits lerne ich dabei immer wieder selbst Neues, andererseits nützen mir meine langjährige Erfahrung in der Erwachsenenbildung und mein theoretischer Hintergrund, um die begleitende und begutachtende Rolle der Zertifizierungswerkstattsleiterin erfüllen zu können.  

Die Zertifizierungswerkstatt ist die Stelle im Kompetenzanerkennungsverfahren, an der sich die Erwachsenenbildner:innen in Präsenz zeigen. Gelingt es der ZWS die Professionalität der Absolvent:innen zu prüfen und zu sichern? Und wie gelingt ihr das?

Wenn Teilnehmer:innen sich vorstellen, ihre Lerngeschichte erzählen und wenn sie ein Beispiel aus ihrer Praxis präsentieren, können vorhandene Stärken und wahrnehmbare Entwicklungsfelder gut beobachtet werden. Weitere Aufgaben vor Ort erlauben den Leiter:innen, die gezeigten sozialen und beruflichen Kompetenzen einzuschätzen. Durch Lösungsaufgaben in der Gruppe werden unterschiedliche soziale und persönliche Kompetenzen ebenfalls deutlich herausgefordert und sichtbar.

Erwachsenenbildnerisch bedeutsam ist der Umgang mit Feedback, welcher ein zentrales Element der Zertifizierungswerkstatt ist: Wie wird auf Feedback reagiert? Wird es als Impuls zur persönlichen Entwicklung gesehen oder eher abgelehnt? Auf jeden Fall wird die Bedeutung des Feedbacks in andragogischen Prozessen gestärkt. Die Zertifizierungswerkstatt kann durch die Beobachtung der sozialen und beruflichen Kompetenzen bis zu einem gewissen Grad also Professionalität der Erwachsenenbildner:innen überprüfen und gleichzeitig Entwicklungsimpulse geben.

Wo siehst du Verbesserungspotential für die Zukunft? Was gibt es allgemein für jene, die die Professionalitätsentwicklung von Erwachsenenbildner:innen begleiten, in Zukunft zu tun?

Hier fallen mir zwei wichtige Aspekte ein: Erstens sehe ich die Notwendigkeit, die Entwicklung der Professionalisierung und die Tendenz der immer differenzierteren Überprüfung, der Optimierung und der Regelung von Details, kritisch zu reflektieren. Ich würde mir mehr Diskussion wünschen, welche Bedeutung soziale, ethische sowie strukturelle Faktoren wie Vertrauen, Zutrauen und freie Gestaltungsmöglichkeiten in andragogischen Prozessen haben und welche Rolle diese daher auch für die Professionalisierung spielen sollen.  

Zweitens beobachte ich, dass wichtige Tätigkeitsfelder der Erwachsenenbildung sich nicht adäquat entwickeln (organisatorisch, strukturell, finanziell …). Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die hier Tätigen. Diese kompensieren fehlende Professionalisierung des gesamten Feldes mitunter durch persönliches Engagement.

Was bedeutet das pädagogisch und bezogen auf Bildungsprozesse?

Ich bin überzeugt, dass vieles, was in und an Bildungsprozessen wertvoll ist, nicht unmittelbar sichtbar und nicht messbar ist, ganz besonders nicht in einer management- und steuerungsbezogenen Perspektive. Angesichts der technologischen Entwicklung und der damit verbundenen vielfältigen neuen technischen Lernsettings sollte uns bewusst sein, dass die Art wie Menschen lernen, Wissen generieren und verarbeiten, im Wesentlichen gleich bleibt. Auf diese Faktoren jedoch (beispielsweise Interesse-Geleitetheit, Motivation, Emotionalität, Biografizität, soziales Setting, Lerntiefe) ist Rücksicht zu nehmen.

Was möchtest du den wba-Kandidat:innen mitgeben, die vor der Zertifizierungswerkstatt stehen? Was hilft ihnen aus diesen drei Tagen einen gelungenen Teil ihrer professionellen Entwicklung zu machen?

Ich empfehle den wba-Kandidat:innen offen auf die Zertifizierungswerkstatt zuzugehen und auf die eigenen Erfahrungen und Kompetenzen zu vertrauen. Es lohnt sich, sich mit Neugier auf die Zertifizierungswerkstatt einzulassen und Feedback und persönliche Reflexion als unterstützende und stärkende Faktoren auf dem Weg der Professionalisierung zu sehen.

Grete Dorner bei der Zertifizierungswerkstatt im Jänner 2023 (Mitte); Teilnehmende: Melanie Wiedner, Daniela Eder-Stöflin, Joanna Egger,  Marco Samhaber

Liebe Grete Dorner, das sind sehr interessante und anregende Worte, die du der Erwachsenenbildung auf ihrem Weg der Professionalisierung mitgibst! Danke für das Teilen deiner Erfahrungen als Leiterin der wba-Zertifizierungswerkstatt!

Das Interview führte Petra Steiner, pädagogische Mitarbeiterin der wba

Feedbacks von Teilnehmer:innen der Zertifizierungswerkstatt 2023:

"Es waren drei sensationelle Tage! Unsere Kleingruppe und unsere Trainerin waren spitze. Ich habe in drei Tagen selten so viel gelernt, reflektiert und erfahren wie bei der Zertifizierungswerkstatt. Die Entscheidung in diesen Prozess zum Erwachsenenbildner einzusteigen war wirklich eine gute."


Marco Samhaber, Bildungsreferent bei der Arbeiterkammer Oberösterreich, wba-zertifizierter Erwachsenenbildner

"Ich habe mir viele wertvolle Inputs und konkrete Ideen für meine Arbeit mitgenommen, die ich umsetzen werde. Die Chance darauf, so viel direktes Feedback zu erhalten, hat man sonst weder im beruflichen noch privaten Kontext."


Kristina Lackner, Projektleitung im Bildungsmanagement, Norwegisch-Sprachtrainerin, wba-zertifizierte Erwachsenenbildnerin

Weitere Informationen:

Informationen zum Ablauf der Zertifizierung sowie der Zertifizierungswerkstatt finden Sie hier.

Alle aktuellen Leiter:innen der Zertifizierungswerkstatt

  • Mag.a Grete Dorner
  • Mag.a Eva-Maria Fidlschuster
  • Mag. Wilfried Frei
  • Mag.a Andrea Haring
  • Dr.in Sylvia Hojnik
  • Mag.a Corinna Hölzl
  • Mag. Roland Hutyra
  • Mag. Gerhard Ratz
  • Dr.in Nicole Slupetzky
Die wba hat mir beim Aufspüren von Stärken, aber auch Lücken in meinem vorangegangenen Bildungsweg geholfen. Ich wurde mit Herz und Hirn beraten und konnte einen anerkannten, herzeigbaren Abschluss erwerben, der mir auch im universitären Arbeitsfeld geholfen hat.

ao.Univ.-Prof. Martin Vácha, Bakk.art. MA MA PhD

Kultur- und Bildungsmanager, Sänger, Lehrender für Gesang und Kulturmanagement, wba-diplomierter Erwachsenenbildner